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fee.jpg (27038 Byte)Leseprobe aus: Fee

„Claire?“

Jemand berührt mich an der Schulter. Vogelleicht. Ich höre das Stampfen der Maschinen. Spüre das Schlingern der Fähre. Mache die Augen auf. Und sehe in Josts Gesicht.

„Claire, wir sind bald da.“

Er lächelt mich an. Niemand lächelt wie Jost. Dieses Lächeln möchte ich nie, niemals verlieren. Licht ist in diesem Lächeln. Licht, wie es manchmal an späten Augusttagen gelb auf den Feldern liegt. Jost neben mir. Schlaf im Gesicht. Das dunkle Haar wirr. Am Kinn die feine Narbe. Sie stammt aus seiner Kindheit. Rührt her von einem Sturz. Der kleine Rennfahrer Jost brauste einen steilen Abhang hinunter und wachte erst in der Klinik des Nachbarorts wieder auf.

Ich ziehe seinen Kopf zu mir heran und schließe die Augen wieder. Noch eine Weile so bleiben, ganz nah bei ihm. Seinen Geruch spüren und seinen Atem, der mir in warmen Wellen über den Hals streicht.

Jost macht sich los. Küsst meinen Nacken, dass sämtliche Härchen sich aufrichten. Knabbert an meinem Ohr und macht mir Lust auf mehr. Jetzt allein sein mit ihm und nicht in einem Raum mit vierzig, fünfzig andern, alle Reisende wie wir.

„Komm schon, du Schlafmütze. Sonst verpassen wir das Anlegen.“

Er steht auf, dehnt und streckt sich. Er ist nicht daran gewöhnt, im Sitzen zu schlafen. Anders als ich. Fast musste ich nach den vergangenen Wochen erst wieder lernen, im Liegen zu schlafen.

Auf eine Kabine haben wir verzichtet. Wir brauchen das Geld für wichtigere Dinge.

Und dann stehen wir an Deck. Es ist kalt. Der Himmel windzerfetzt. Zehn Uhr morgens nach englischer Zeit. Die Uhren haben wir gleich bei der Abfahrt umgestellt. Das war vor fünfzehn Stunden.

Eine Landzunge kommt in Sicht. Pittoreske Häuser. Hafenarbeiter laufen geschäftig hin und her. Tragen Rohre und andere sperrige Gegenstände. Rauchen. Sitzen zusammen beim zweiten Frühstück. Ein Motorboot, das aussieht wie ein Spielzeug. Bis es näher kommt. Doch von der mächtigen Fähre aus betrachtet, ist es immer noch winzig.

Eine Frau nimmt ihr Kopftuch ab und winkt. Und plötzlich sind viele winkende Menschen da. Es macht nicht den Eindruck, als wollten sie jemanden abholen. Sie scheinen sich einfach zu freuen, dass ein Schiff ankommt.

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