Teufelsengel: Tauchgang in die Tiefe der Seele    

Von Anja Lehmgrübner, 04.12.09

Es sind schwierige Themen, die ihr am Herzen liegen, die sie faszinieren und die sie in Krimis kleidet. Monika Feth schrieb über Inzest, multiple Persönlichkeiten, Stalking. Und sie fragt nie nach dem Wie, sondern immernach dem Warum.

Monika Feth strahlt. Ihr Glück liegt zwischen uns auf dem Tisch, 416 Seiten ist es dick, und am Morgen hat es der Paketdienst frisch aus der Druckerei zu ihr nach Hause gebracht: ihren neuen Thriller „Teufelsengel“. Monika Feth schaut das Buch an, stolz, staunend, ungläubig. „Ich kann es noch nicht begreifen. Das ist ein Jahr meines Lebens.“ Monika Feth meint nicht die Zeit, sie meint nicht die Arbeit. Sie meint: ihr Leben. Stimmungen, Gedanken, Gefühle. Und zwei Welten, die sich ein Jahr lang berührten.

Auch an diesem Nachmittag im Café am Fühlinger See sitzen ihre Figuren mit uns am Tisch: Romy, die junge Volontärin einer Kölner Zeitung, die ihre erste Geschichte wittert, als die Leiche eines Mannes aus dem Badesee geborgen wird. Ihr Freund Calypso, der seine Banklehre abbricht, um eine Schauspielschule zu besuchen. Und Pia, die in die Fänge einer gefährlichen religiösen Gemeinschaft gerät.

Die Figuren nicht eingeengt

Nach ihren Jette-Krimis wie „Der Erdbeerpflücker“ und zuletzt „Der Schattengänger“, allesamt Jugendbuch-Bestseller, hat sich Monika Feth nun auf neue Figuren eingelassen. Neugierig ist sie ihnen durch die Geschichte gefolgt, hat sich von ihnen leiten lassen, hat sie nicht eingeengt. Und hat ihnen ein Stück von sich selbst gegeben.

Jette und Romy sind wie Feuer und Wasser. Jette ist vorsichtig, bedächtig, abwartend, verletzlich. Ihre Schönheit erkennt man erst auf den zweiten Blick, Jette muss man langsam kennenlernen. Romy nun ist unkompliziert, sie ist selbstbewusst, weniger angreifbar. Sie ist Zwilling, aufgehoben in der innigen Beziehung zu ihrem Bruder. Monika Feth wäre gern ein Zwilling gewesen.

Sie blättert in ihrem Buch und findet sich noch nicht zurecht darin. Die Seitenanzahl unter ihren Händen gibt ihr noch kein Gefühl für Handlungspunkte, Szenen, Lieblingsszenen. Denn sie hat das Buch noch nicht gelesen, noch immer lebt es nur in ihrem Kopf.

Sie bleibt an einzelnen Sätzen hängen, liest: „Sie stellte den Kragen ihrer Jacke hoch und zog sich den Schal fester um den Hals. Ihre Augen tränten, und wenn sie durch den Mund einatmete, fing sich die eisige Luft schmerzhaft in ihren Lungen. Scheißwetter für eine Beerdigung, dachte sie.“ Monika Feth ist ganz bei sich. „Das ist ein guter Satz“, sagt sie, ruhig und zufrieden. Dann schaut sie auf und lacht: „Aber der war harte Arbeit.“

Sie schreibt sparsam, sie verschwendet keine Worte für Täglichkeiten. In der Schreibphase hat sie Stieg Larsson gelesen. Weil er ganz anders schreibt als sie und sie stilistisch nicht beeinflussen kann. Gegen ihn konnte sie anschreiben.

Unaufdringlich, sinnlich und ungeheuer spannend

Monika Feth verdichtet und verdichtet, bis sich die Geschichte zwischen den Zeilen entfaltet, unaufdringlich und sinnlich und ungeheuer spannend. Die Autorin liebt die Sprache, sie liebt die Bilder. Mit Beschreibungen gibt sie sich nicht zufrieden, sie findet Farben, Düfte, Klänge. Schreiben bedeutet bei ihr Erleben.

Lesen auch. Die zarten Berührungen der Schneeflocken spürt der Leser auf der Haut. Der erste Schnee im „Teufelsengel“ ist der Schnee ihrer Kindheit, einer Zeit, in der sie sich noch nicht von ihren Gefühlen ablenken ließ. Das Kindliche, Staunende, Unverfälschte hat sie bis heute behalten wie einen kostbaren Schatz, auch wenn sie manchmal schwer an ihm trug. Dem Erwachsenwerden, dem Erwachsensein hat sie sich verweigert, sie ist ein junger Mensch geblieben, ihr inneres und ihr tatsächliches Alter stimmen nicht überein.

Monika Feth lebt in der Voreifel und sie erzählt voller Leidenschaft, dass sie vor kurzem im „Kölner Stadt-Anzeiger“ ein Interview mit einem Bestatter gelesen hat: über die Unmenschlichkeit von Beerdigungen. „Er fragte, warum man den Menschen nicht erlaubt, mit der Urne ans Rheinufer zu gehen, Geschichten von dem Verstorbenen zu erzählen und seine Asche in den Rhein zu streuen, damit er noch mal am Dom vorbeischwimmen kann. Ich find das klasse, das ist eine schöne Idee!“ Ein unangepasster Gedanke und eine so positive Sicht auf die Welt, die wesentlich sind für Monika Feth.

Dass sie ihre Zeit in einer Klosterschule nicht in guter Erinnerung behalten hat, ist da nur konsequent. Fantasie und geistige Unabhängigkeit waren nicht erwünscht, und im „Teufelsengel“ schreibt sie schließlich darüber. Es sind schwierige Themen, die ihr am Herzen liegen, die sie faszinieren und die sie in Krimis kleidet. Sie schrieb über Inzest, multiple Persönlichkeiten, Stalking. Und sie fragte nie nach dem Wie, sondern immer nach dem Warum. Monika Feth ist eine Seelentaucherin.

Im Januar wird auch ihr neues Bilderbuch „Eigentlich ist Tante Lynn Prinzessin“ erscheinen, eine Geschichte über eine alte, verwirrte Frau. Tante Lynn lebt in einem Pflegeheim und ist doch in ihrer Fantasie eine Prinzessin, die bald in der kleinen Schlosskapelle zur Königin gekrönt werden soll. Und während Mias Eltern Tante Lynn sehr peinlich finden, sucht Mia in ihrer Unbefangenheit einen Weg zu ihr. Ein weiteres Buch voller Poesie. Typisch Monika Feth.

Kölner Stadtanzeiger

BUCHTIPPS

  
  Romy Berger arbeitet als Volontärin beim KölnJournal. Die Zeitung ist etwas links-alternativ ausgerichtet, was der Tochter von Aussteigern sehr entgegen kommt. Dazu kommt ihr Vorgesetzter, der Chefredakteur, der grosse Stücke auf sie hält. Sie nimmt ihre Arbeit sehr ernst, würde aber gern etwas anspruchsvollere Aufgaben übernehmen. Die Chance sieht sie im Mord an einem jungen Mann. Er wird aus dem nahe gelegenen Badesee, Fühlinger See, gefischt. Kurz darauf findet man ein totes Mädchen. Romy sieht eine Verbindung zwischen den beiden Toten und zwei weiteren Leichen. Mona Fries, Alice Kaufmann, Ingmar Berentz und Thomas Dorau. Vier Leichen und für die Polizei, vier Fälle, denn keiner erkennt einen Zusammenhang. Lediglich Romy stellt einen Zusammenhang her. Sie erhält von ihrem Chef die Erlaubnis für die Zeitung Informationen einzuholen. Romys Nachforschungen sind so erfolgreich, wie die der Polizei, nämlich gar nicht. Sie sucht den Schauplatz des letzten Mordes auf um ihre Nachforschungen etwas voran zu treiben, in der Hoffnung einen Hinweis zu finden, der ihr weiter hilft. Der Zufall will es, dass sie diesen Hinweis in Person des Mönchs Arno erhält. Arno ist ein fesselnder Charakter, der sich ebenfalls für Romy interessiert. Der Mönch gehört zur Bruderschaft der Getreuen, einer religiösen Sekte. Ihr Anführer ist der Abt Vero. Über die geheimnisvolle Bruderschaft macht sie sich noch lange Gedanken und als Leser fragt man sich unweigerlich, ob auch in der eigenen Nähe solch eine Bruderschaft besteht. Vor kurzem wurde Bert Melzig, seines Zeichens Kriminalbeamter, nach Köln versetzt und darf sich nun mit dem Tod an dem jungen Mann, Thomas Dorau, herumschlagen. Seine Nachforschungen bringen nichts zutage und das ist für einen Polizisten äußerst frustrierend.

Teufelsengel ist ein aufregender Jugendkrimi, der von Erwachsenen ebenso gelesen werden kann. Dies ist ein erneuter Roman um den Helden Bert Melzig, der von Monika Feth geschrieben wurde. Von der Provinz in die Hauptstadt des rheinischen Karnevals versetzt, wird er gleich wieder mit einem schweren Fall beauftragt. Phantastik ist dieses Buch, trotz des Titels jedoch nicht. Leider. Ich hatte zuerst so etwas wie einen Mystery-Thriller erwartet. Es macht sich in mir jedoch keine Enttäuschung breit. Atmosphärisch dichte Beschreibungen, eine packende und mitreissende Handlung, sympathische Helden. Ein hervoragende erzählter Roman, der die Jugend-Krimi-Szene bereichert.

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LESERWELT

Vier Tote.
Vier Morde.
Vier Geheimnisse.

Niemand glaubt an einen Zusammenhang. Niemand außer Romy Berner, der jungen Volontärin beim KölnJournal. Sie beginnt, auf eigene Faust zu recherchieren – und kommt einer gefährlichen Bruderschaft auf die Spur…

Romy Berner ist Volontärin bei einer Kölner Zeitung und auf der Suche nach einer echten Story. Als innerhalb weniger Monate mehrere junge Leute ermordet werden, ahnt sie einen Zusammenhang und macht sich auf Spurensuche. Als sie nach und nach mehr über die Toten herausfindet, stellt sie fest, dass alle vier sich vor ihrem Tod sehr verändert hatten, in sich gekehrt waren und offenbar ein Geheimnis teilten. Auch Kommissar Bert Melzig, frisch nach Köln versetzt, ermittelt im aktuellen Mordfall des Thomas Dorau, nähert sich aber von ganz anderer Seite dem Täter. Und dann ist da noch Pia, die ihre ganz eigenen Nöte hat und alles versucht, ihr Leben zu retten …

Monika Feth hat sich hier eine komplexe Geschichte mit einem etwas sperrigen Thema ausgedacht, das viel aktueller ist als man denkt: Sekten, Verführung und Besessenheit.

Was unterscheidet einen Thriller für Jugendliche von einem für Erwachsene? Ganz einfach: Nicht viel, zumindest nicht in diesem Fall. Genauso professionell gemacht, genauso spannend geschrieben und mit genauso viel Tempo und Story ist „Teufelsengel“ zwar äußerlich ein Jugendbuch, aber steht einem „echten“ Thriller in nichts nach. Nach einem kurzen Prolog wird der Leser direkt in Romys Arbeitsalltag geworfen, wo sie sich mit ihrem Chef darum streitet, ob sie in einer eigenen Story recherchieren darf oder nicht. Ohne große Erklärungen zu Romys Hintergrund wird man hier in eine flott geschriebene Story gezogen, die schnell Fahrt aufnimmt und gegen Ende einer Achterbahnfahrt gleicht. Monika Feth baut mehrere Handlungsstränge auf, die erst nach und nach zusammengeführt werden, und hält dadurch die Spannung hoch bis zum Schluss. Gegen Ende wechseln die Perspektiven dann immer schneller und zwingen den Leser regelrecht, atemlos mit Romy durch das spannende Finale zu hasten. Dabei tun kurze, straffe Sätze ohne große Schnörkel ihr Übriges, einerseits die Handlung voranzutreiben, andererseits eine jugendlich frische Erzählweise herzustellen. Auch die Atmosphäre kommt nicht zu kurz: Wenn Romy durch das winterlich düstere Köln streift, um ihre Recherchen voranzutreiben, friert man mit ihr und freut sich genauso wie sie auf den heißen Kakao in ihrer Lieblingskneipe. Und das Klostergelände ist schon ziemlich gruselig und düster … man merkt es schon, hier ist der Leser immer nah dran am Geschehen.

Romy ist natürlich die Hauptperson, und hier offenbart sich die einzige Schwäche dieses Romans: Sie ist zwar gerade erst 18 geworden, aber eigentlich viel erwachsener und unabhängiger als es realistisch wäre. Sie hat nicht nur eine eigene Wohnung in einem Szeneviertel, sondern auch einen festen Freund, ein Auto und Essensvorlieben, die ich von Jugendlichen eigentlich nicht kenne. Klar, es gibt für alles eine recht gute Erklärung, ihre Eltern leben im Ausland und so weiter, aber trotzdem macht Monika Feth es ihr einfach ein bisschen zu einfach in meinen Augen. Trotzdem ist Romy sympathisch und clever und birgt sicher noch Potential für die eine oder andere Fortsetzung. Außerdem gibt es noch einen besonderen Trick, der dem Leser Romys Gedanken immer wieder nahe bringt: Jeweils zu Anfang eines Kapitels gibt es Auszüge aus dem „Schmuddelbuch“, Romys Notizbüchlein, in dem sie ihre Gedanken festhält.

Auch die anderen Figuren dieses Thrillers haben ein Gesicht und Charakter, Bert Melzig, der frisch getrennte und einsame Kommissar, Calypso, Romys Freund, der seine eigenen Wege geht, aber trotzdem immer zu ihr hält, Pia, das geheimnisvolle Mädchen, und natürlich der Mörder, der ebenfalls seine Gedanken nicht für sich behält. Für ihn gebührt der Autorin übrigens ein besonderes Lob, schafft sie es doch, ihn einerseits völlig irre und durchgeknallt erscheinen zu lassen, ihn andererseits aber auch so menschlich zu machen, dass man ihm abnimmt, dass er seine abstrusen Ideen wirklich selber glaubt. Da kann man schon nachvollziehen, wie es passieren kann, dass völlig rational denkende Menschen in die Fänge einer Sekte und ihres charismatischen Führers geraten können.

Ein hochspannender Jugendthriller mit einem brisanten Thema für nicht allzu zart besaitete Gemüter. Clever konstruiert, mit einer äußerst sympathischen Hauptdarstellerin und Fortsetzungspotential weiß „Teufelsengel“ auch Erwachsene zu begeistern.

Eva Hüppen; http://www.leser-welt.de